von Dr. Fritz Reuter

Er war ein stattlicher Mann. Als ein „Schnorres“ Mode war, trug er ihn. Als in den zwanziger Jahren der „flotte Knochen“ bartlos daherkam, rasierte er sich sein Kinn so glatt, wie inzwischen auch der Schädel war. Im Knopfloch steckte immer eine Blume. Und den Damen blieb er stets zugeneigt.

Die beschriebene Mannsperson hieß Konrad Fischer. Da er einen leichten Sprachfehler hatte, sang er gerne und oft, wobei bekanntlich das Stottern nicht auffällt. Obgleich Fischer eher eine Hüne von Gestalt war, hieß er bei Verwandten und Freunden doch „es Kunrädche“. Das blieb von Kindheit so an ihm hängen.

Geboren wurde Konrad Fischer am 23. November 1876 in Leipzig. Aber seine eigentliche Heimat war und blieb Worms, wo sein Vater die noch heute bestehende Buchdruckerei Heinrich Fischer betrieb. Die gab auch eine Zeitung heraus, das „Wormser Tagesblatt“. Darin betätigte sich´s Kunrädche als Redakteur. Der humor- und phantasiebegabte Mann, der bereits 1898 als Liederdichter für die Wormser Narrhalla brillierte, schrieb eine Fülle heiter-harmloser, bisweilen satirischer, Gedichtchen und Geschichten für das „Tagesblatt“, später dann für die „Wormser Zeitung“. Darin hat er Wormser Originale ebenso festgehalten wie Uznamen und Wohnplätze.

Doch Konrad Fischer wollte mehr. Da das „Sedans-Fest“ zur Erinnerung an die Kapitulation Kaiser Napoléons III. 1870 nicht mehr so recht laufen wollte, sann es Kunnrädche auf etwas Neues. Und so erfand er das „Rosenfest“. Das Lied vom „Rosengarten in Worms“ hatte ihn dazu angeregt, die Dichtung um Känig Gibich, seine Tochter Kriemhild und deren Rosengarten. In dem Heimatschriftsteller Georg Richard Roeß (1872-1945) fand er einen begeisternden Mitstreiter. Ein Rosengarten-Ausschuss wurde gegründet. Von 1904 bis 1907 fanden vier Rosenfeste statt, die sich jeweils über mehrere Tage erstreckten. Sie boten eine gelungene Mischung von künstlerischen Darbietungen und Volksfest. Zur Ausschmückung des Festhauses wurden Papierrosen gebastelt. 1905 erschien eine Festschrift „Wormser Rosengarten“ mit 60 Beiträgen unterschiedlichster Künstler sämtlicher Sparten, darunter Otto Julius Bierbaum, Friedrich Gernsheim, Daniel Greiner, Engelbert Humperdinck, Wilhelm Raabe, August Siebert usw.

1906 übernahm Großherzog Ernst Ludwig die Schirmherrschaft über das Rosenfest, was Fischer ermutigte, „Hebbels“ Nibelungen im Festhaus aufführen zu lassen. 1907 wurde des Sängerkrieges auf der Wartburg gedacht, wobei, wie Fischer in seiner Operette „Was sich liebt“ 1918 textete, „Hoppsasa und Trallala“ nicht zu kurz kamen.

Konrad Fischerzoom
Konrad Fischer
 

Die „Rosenfeste“, mit denen die Bemühungen um einen Rosengarten im Wäldchen zu Füßen des damals entstehenden „Äschebuckels“ parallel liefen, endeten etwas abrupt. Vater Fischer hatte 1907 sein „Wormser Tagesblatt“ eingestellt, sein Sohn somit seinen Reduktionsposten verloren. Da sein Bruder den Betrieb übernahm, ließ sich Konrad auszahlen. Er wandte sich Worms ab und Deutsch-Südwestafrika zu. Aber nach einigen Jahren zog es ihn nach Europa zurück. So lebte er mit seiner Frau Magdalena geb. Scherdel, einer in Weisenheim am Sand geborene Französin aus Metz, in deren – damals deutscher – Heimatstadt. Hier erfand er bei Beginn des Ersten Weltkrieges einen „Tag der Enthaltsamkeit zugunsten der Weihnachtsbescherung der achtzehntausend Mütter und Kinder der Felde stehenden Krieger“. Noch im Juli 1918 konnte erfolgreich gesammelt werden. Wenig später wurde Metz wieder französisch, zahlreiche deutsche Einwohner gingen heim „ins Reich“.

Konrad Fischer und Frau gelangten über Zwischenstationen 1928 zurück nach Worms. Alsbald sann es Kunrädche auf neue Taten. Er betätigte sich als Journalist, Volksunterhalter, Karnevalist und ehrenamtlicher – Verkehrsdirektor. In großer Pose begrüßte er am Lutherdenkmal oder in den „Zwölf Aposteln“ in der Hagenstraße Gäste. 1930 inszenierte er im Festhaus die Revue „Hoch Karneval“, ein Riesenerfolg von mehrfach ausverkauften Haus.

Hatte Fischer noch 1932 in einem Artikel wehmütig auf Rosenfest und Rosengarten zurückgeblickt, so war längst Neues im Werden. Hans Schambach, Mitstreiter Fischers und sein Nachfolger als Verkehrsdirektor, hat ihn 1954 nicht nur den zündenden Gedanken, sondern auch die Namensgebung „Backfischfest“ bescheinigt: „… so blieb es dem damaligen Direktor des Verkehrsvereins, Konrad Fischer, vorbehalten, dem „Wunschkind“ des Verkehrsvereins diesen originellen Namen zu geben …“.

Mit Konrad Fischer wurde das erste Backfischfest im Jahr 1933 ein Erfolg, das zweite 1934 ebenfalls. 1935 indessen überwarf er sich mit Wormser Honoratioren an der Spitze des Verkehrsvereins und kehrte Worms erneut den Rücken. Erging nach Fallingbostel, wo er eine Hühnerfarm betrieb. Als das nicht klappte, zog er wieder nach Metz, musste Frankreich bei Kriegsbeginn 1939 aber verlassen. Es verschlug ihn nach Mitteldeutschland. Am 1. Januar 1945 ist Konrad Fischer bei Arnstadt in Thüringen gestorben.

Die Leiche wurde eingeäschert. Seine Frau wollte die Urne nach Worms bringen. Mit einem Leiterwägelchen machte sie sich bei Kriegsende auf den Weg. Mehrfach, so die Familiensaga, sei bei den holprigen Straßen die Urne heruntergerollt. Was Magdalena Fischer geb. Scherdel mit dem Satz kommentiert haben soll: „Der Mann gibt noch im Tod keine Ruhe“.

Konrad Fischer zusammen mit Hans Schambach beim Backfischfest 1933 zoom
Konrad Fischer zusammen mit Hans Schambach beim Backfischfest 1933